Helfen schafft keine Jobs

Helfen schafft keine Jobs

Theo Rauch

Kein Zweifel: Die „Entwicklungshilfe“ hat wenig erreicht im Kampf gegen Armut und Hunger. Hierzu bedürfte es aber nicht nur der von Michael Bauchmüller[1] angeregten effizienteren Bereitstellung von Hilfe, sondern einer ganz anderen Form von internationaler Kooperation. Wobei man zu deren Ehrenrettung sagen muss, dass diese maßgeblich zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung, zum Zugang zu Bildung und Trinkwasser und auch zur Erhöhung der Nahrungsmittelproduktion in den begünstigten Ländern beigetragen hat. Versagt hat sie aber dabei, produktive Beschäftigungs- bzw. Einkommensmöglichkeiten zu schaffen. Aber nur dann, wenn ihre wirtschaftliche Existenzgrundlage gesichert ist, müssen Menschen nicht mehr bangen, was sie morgen essen können. Und wo junge Leute keine Chance auf Arbeit haben, suchen sie sich diese in anderen Weltregionen, oder sie laufen Gefahr, Unsicherheit und Unfrieden zu stiften. Bei der Suche nach den Ursachen dieses Versagens hilft ein Blick auf die beschäftigungspolitisch erfolgreiche Handvoll ostasiatischer Staaten, voran Südkorea und China. Diese haben sich durch eine konsequent beschäftigungsorientierte Agrar- und Industrialisierungspolitik selbst geholfen, und indem sie sich das Recht nahmen, diese gegen die überlegene Konkurrenz der alten Industrieländer durch Zölle zu schützen. Gleichzeitig nutzten sie Exportchancen, sobald sie in den betreffenden Sektoren konkurrenzfähig waren. So wie das einst Deutschland (unter Bismarck) und Japan vorgemacht hatten. Dieser Weg ist den immer noch unter Massenarmut und Unterbeschäftigung leidenden Ländern durch die vorherrschende Freihandelsdoktrin heute verwehrt. So gewähren auch die ökonomischen Partnerschaftsabkommen zwischen EU und Afrika Zollschutz nur für bereits bestehende Industrien, nicht aber für Schaffung zusätzlicher Jobs. Gleichzeitig wird der Zugang zu den EU-Märkten für verarbeitete Produkte immer noch durch zahlreiche nicht-tarifäre Handelshemmnisse behindert. Unter diesen Bedingungen waren und sind die Handlungsspielräume für eine Beschäftigungspolitik der betroffenen Länder und deren entwicklungspolitische Unterstützung eng begrenzt. Eine beschäftigungsorientierte wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den armen Ländern muss also bei den internationalen Handelsbedingungen ansetzen. Diese müssen Schutz und Zugang für die Erwirtschaftung von Einkommen in diesen Ländern bieten. Nur das ermöglicht Spielräume für eine beschäftigungsorientierte Wirtschaftspolitik der dortigen Regierungen und Sicherheit für Privatinvestitionen. Nur dann ist es sinnvoll, die Suche nach zukunftsfähigen beschäftigungswirksamen ökonomischen Möglichkeiten zu unterstützen. Und Menschen zu deren Nutzung zu befähigen. Wir müssen uns also von der immer noch verbreiteten Vorstellung lösen, dass wir Reichen den Armen helfen müssen. Das Problem fehlender Existenzperspektiven kann nicht gelöst werden, indem das in den reichen Ländern erwirtschaftete Einkommen umverteilt wird. Worauf es ankommt, ist eine Umverteilung von Chancen. Von Möglichkeiten für die Armen, ihr Einkommen selbst zu erwirtschaften. Afrikanische Mangos mit afrikanischen Arbeitskräften in der EU zu Mangosäften für afrikanische Supermärkte zu verarbeiten, ist ein fataler Irrweg hin zur Förderung massenhafter Abwanderung nach Europa.

Das Motto sollte also nicht lauten „Trade statt Aid“ und auch nicht „Aid for Trade“ sondern muss lauten: „Fair Trade plus Aid“.


[1] Der Beitrag von Theo Rauch bezieht sich auf den Leitartikel „Entwicklungshilfe“ von Michael Bauchmüller in der Süddeutschen Zeitung vom 31.5.2024.

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