Geostrategische Veränderungen führen zu Verlust an deutscher Gestaltungsfähigkeit auf dem afrikanischen Kontinent

Geostrategische Veränderungen führen zu Verlust an deutscher Gestaltungsfähigkeit auf dem afrikanischen Kontinent

Robert Kappel

2.4.2024

Foto: In Kigali und ganz Ruanda sind chinesische Motorräder das Hauptverkehrsmittel

Es ist schon sehr verwunderlich, dass China, Russland, die Türkei, Saudi-Arabien, Indien und die Golf-Staaten ihren Einfluss auf dem afrikanischen Kontinent ausdehnen und die deutsche Außen-, Außenwirtschafts, Verteidigungs- und die Entwicklungspolitik das Thema nicht systematisch beackern. Im Gegenteil, sie fahren auf Sicht und verlieren sich im Kleinklein. Eine deutsche Geostrategie gibt es nicht.

Da eröffnet die Ethiopian Airlines eine von chinesischen Firmen erbaute Logistik-Zentrale am Bole International Airport in Addis Abeba, um die wachsende Nachfrage für e-commerce deliveries in Afrika zu bedienen. Das neue Zentrum kann im Jahr 150 Tsd. Tonnen an Waren, die von Addis Abeba über das Netzwerk der Ethiopian Airlines verteilt werden, weiterleiten.[1]  Chinesische Unternehmen errichten mit Hilfe des chinesischen Staates die Infrastruktur auf dem gesamten Kontinent, schaffen somit Verbindungen innerhalb und zwischen Ländern, ermöglichen mehr inner-afrikanischen Handel. Chinesische Unternehmen errichten Häfen, Stadien, Regierungspaläste, Flughäfen, Kanäle, Eisenbahnen, Stromtrassen, Sonderwirtschaftszonen und vieles mehr. China Railway baut zudem die Hochgeschwindigkeitsstrecke von Agadir nach Marrakesch (280 km Länge). China hat sogar ein Programm zum Ausbau der Fotovoltaik in Zehntausenden afrikanischen Dörfern aufgelegt. Ein bahnbrechender Input für die Versorgung der ländlichen Bevölkerung. Und unsere Medien wissen nichts anderes zu berichten, als dass die Länder in die Verschuldungskrise durch China geraten. Dabei sind afrikanische Staaten vor allem bei den internationalen Finanzinstitutionen (IFIs) in Washington (Weltbank, Internationaler Währungsfonds, IWF) und Privatbanken verschuldet. Allen Beteiligten war von Anfang an klar, dass es Probleme für die Rückzahlung aller aufgenommenen Kredite geben könnte.

Ein paar Beispiele genügen, um zu zeigen, dass Deutschland seinen Einfluss auf dem Kontinent nicht ausbaut, sondern verliert. Darüber können die Reisen von Ministern aus der Bundesregierung nach Nigeria. Südafrika, Senegal, Niger, Äthiopien, Ägypten, Marokko und Namibia nicht hinwegtäuschen. Hier und da eine Großinvestition für Wasserstoff, hier und da ein paar neue Investitionen, die durch viele gute Initiativen seitens des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK)  gefördert werden. Aber die deutschen Investitionen sind nicht strategisch gesteuert. Dies wirft viele Fragen auf.

Wie wollen wir mit der größten Volkswirtschaft des Kontinents, Nigeria, umgehen? Welche Wirtschafts- und Sicherheitsstrategie besteht? Wie wollen wir uns in Südafrika aufstellen, wenn das Land noch weiter in die Krise gerät, wofür viele Indikatoren sprechen? Wie bewerten wir angesichts der vielen Afrika-Aktivitäten der BRICS-Gemeinschaft (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) die Lage, wie stellen wir uns auf? Dabei geht es nicht nur um Wirtschaft, sondern auch um Militär und Sicherheit.

Dass beides zusammengehört, ist keine Frage: Man bedenke bspw., dass vor allem China die Märkte Afrikas mit Fahrrädern, Motorrädern und Autos bedient, die die Menschen auch kaufen können. Aber nicht unsere hochpreisigen Luxusschlitten. Die Autobauer mögen viel Geld damit verdienen, aber chinesische, japanische und indische Autobauer produzieren auch in afrikanischen Ländern Autos und Motorräder, die auf die lokale Nachfrage ausgerichtet sind. Bspw. fahren in Ruanda fast nur chinesische Motorräder, während es europäische Marken nicht gibt. Und lokale Motorrad-Produzenten bedienen die lokalen Märkte, sogar mit Elektromotorrädern, wie in Kenia. Zunehmend auch chinesische Autos, während deutsche Schlitten nur noch die Botschafter oder die ganz Reichen des Landes fahren. In Südafrika produzieren BMW und Volkswagen, aber ihre Produktion verkaufen sie vorwiegend außerhalb des Landes, denn die lokale Nachfrage nach den großen Autos ist begrenzt. Den Massenkonsummarkt bedienen andere Produzenten. Dadurch geraten deutsche Autobauer immer mehr ins Abseits, und es wird schwer, dort wieder Fuß zu fassen, wenn man einmal Märkte verloren hat. Strategische Fehlleistungen. Es gibt noch viele andere Beispiele. So die Versorgung mit Medikamenten in afrikanischen Staaten. Vielfach werden Drohnen von Unternehmen aus China, Indien oder der Türkei für den Transport eingesetzt, aber wir haben diesen Markt noch nicht einmal im Auge.

In Nigeria haben ein paar wenige deutsche Unternehmen Produktionsstätten. Unternehmen aus China, Indien oder Korea sind hingegen in IKT-Bereichen und Medien oder der Nahrungsmittelproduktion tätig, organisieren Wertschöpfungsketten und engagieren sich in Industrieclustern und Sonderwirtschaftszonen, aber die deutschen Unternehmen sehen diese Märkte nicht einmal. Da sind die kompetenten Reisen der EZ-Scouts, der Verbände und Vereine kaum mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein, auch wenn sie mit allergrößtem Engagement Wirtschaftsoptionen aufzeigen. Deutschland bleibt zurück.

Die Lieferkettenagenda der Europäischen Union schafft weitere Abseitsmöglichkeiten – zur Freude amerikanischer, indischer, türkischer, chinesischer oder russischer Unternehmen. Die bundesdeutsche entwicklungspolitische Szene hat sich dafür seit Jahren stark gemacht. Menschenrechte, Kinderarbeit, Umweltstandards. Alles hehre Ziele. Doch kam irgendjemand auf die Idee, die afrikanischen Regierungen in die Verhandlungen einzubeziehen? Nein. Ist es nicht die alleinige Verantwortung der afrikanischen Staaten, ihre Arbeits- und Umweltstandards auf der Basis internationaler Normen festzulegen und umzusetzen? Das Lieferkettengesetz wurde nicht mit den afrikanischen Staaten vereinbart, sondern ihnen einfach aufgedrückt. Während der überwiegende Teil der entwicklungspolitischen Nicht-Regierungsorganisations-Szene imperial jubelt, ziehen die deutschen Unternehmen wegen des deutschen Dominanzgehabes den Kürzeren.

Die drohende wirtschaftliche Abseitsrolle der drittgrößten Wirtschaftsmacht der Welt auf dem afrikanischen Kontinent ist nur eine von vielen weiteren Gefährdungen. Ein anderes Bespiel: In Niger, wo es eh kaum eine deutsche Investition gibt, mussten die Franzosen und auch die USA ihren militärischen Rückzug antreten. Frankreich ist verpönt, und die Machthaber wenden sich nach Russland wegen Militärkooperation und Rohstofflieferungen. China segelt im Windschatten und ist dabei, den Sahel langfristig wirtschaftlich zu dominieren: Uranabbau, Ölförderung und Ausbau der Infrastruktur, wie bspw. der Bau einer Ölpipeline von Niger nach Benin.

Noch immer erkennt deutsche Politik viel zu wenig das wirtschaftliche Potenzial und die strategische Bedeutung Afrikas, wodurch Deutschland noch weiter an Boden an andere Akteure verliert. Da nützen die Reisen der BMZ-Ministerin mit ihren hehren Worten von Gender, Feminismus, Berufsbildung, Gemüseanbau, nachhaltige und spürbare Verbesserung der Situation der Menschen oder andere großspurige Versprechen nicht viel. Die Ministerin sagt sogar:  „Im Sahel zeigt sich ganz deutlich: Entwicklungspolitik ist nachhaltige Sicherheitspolitik. Und es ist deshalb auch ganz zentral für uns hier in Deutschland und in Europa, dass wir in diesen Bereich investieren“.[2] Aber welche Sicherheitspolitik verfolgt Deutschland denn nun auf dem afrikanischen Kontinent? Welche Strategie, mit welchen Mitteln und welchen Kooperationspartnern? Wie konkret wird nachhaltige Sicherheitspolitik umgesetzt?

In afrikanischen Ländern ignoriert man Deutschlands Ministerinnen und Staatssekretäre ob ihrer Ansprüche mit freundlichen Worten. Nach dem Motto: Wir sind selbständige Staaten, wir entscheiden, wie wir unsere Länder voranbringen, wie wir Armut bekämpfen, wie wir uns industrialisieren und Jobs schaffen. Investiert ihr: fein. Wollt ihr uns sagen, wie unsere Umwelt- und Arbeitsstandards auszusehen haben, sagen wir: das ist unsere Angelegenheit. Auch wie wir mit Kinderarbeit umgehen. Wir setzen internationale Normen um, aber wir benötigen den deutschen Zeigefinger nicht. Wir haben unsere eigene Agenda von Gleichberechtigung. Was wollt ihr eigentlich von uns? Die Besserwisser aus dem Westen werden zunehmend lächelnd an den Rand geschoben, was man auch bei der Arbeitskräfteanwerbung in afrikanischen Staaten gut belegen kann.

Der Aufstieg der BRICS auf dem afrikanischen Kontinent

Der geostrategische Aufstieg der BRICS-plus-Länder und Deutschlands mangelnde strategisch ausgerichtete Afrikapolitik führt zu geringerer Gestaltungsfähigkeit auf dem afrikanischem Kontinent. Viele afrikanische Staaten wenden sich zunehmend nach China, Indien, Golf-Staaten, Türkei und Russland. Trotz des brutalen Krieges Russlands gegen die Ukraine, trotz der Ausbeutung der afrikanischen Ressourcen. Die Erweiterung der BRICS-Staaten ist keine bedingungslose politische Willensbekundung gegenüber den zumeist autokratisch geführten Ländern, sie ist vielmehr auch dem Versagen des Westens geschuldet. Und Deutschland hat immer noch kein Konzept angedacht, das den geo-ökonomischen und geo-strategischen Agenden Chinas, Indiens und Russlands etwas entgegensetzen kann.

Die folgende Tabelle zeigt, welche Schwerpunkte die nicht-westlichen Akteure auf dem Kontinent verfolgen:

 WirtschaftlichMilitärischGeostrategie
RusslandZugang zu natürlichen Ressourcen, Bergbauunternehmen Sicherung der Zufuhr von Öl, Gas, Bauxit, Diamanten, Kupfer, Kobalt, ColtanLieferant von Waffen (35 % der afrikanischen Waffenimporte). Mit 40 afrikanischen Ländern Militärabkommen Militärstützpunkte geplant im Tschad und Sudan Instrumentalisierung (»Weaponization«) von Migration, bewusstes Konterkarieren europäischer Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen sowie Desinformation. Einsatz der Wagner-TruppePool von afrikanischen Verbündeten als Allianz gegen den Westen, u.a. einige Sahel-Staaten, Ägypten, Angola, Südafrika, Algerien (Nutzung der Verbindung zu Befreiungsbewegungen an der Macht) Im UN-System Süd-Süd-Kooperation: einige Länder agieren für Russland im Krieg gegen Ukraine; Nahrungsmittel als strategische Waffe.  
ChinaForum on China–Africa Cooperation (FOCAC) Ziel: Wirtschaftsbeziehungen vertiefen (Rohstoffe; Energie, afrikanische Märkte, Tech-Hubs, Infrastruktur); Entwicklungszusammenarbeit Mehr als 1 Mio. Chinesen auf dem Kontinent als Unternehmer und Arbeiter.  Militärische Agenda, Ausbildung von Militärs, Marinestützpunkte: Djibouti, geplant Äquatorial-Guinea und Militärstützpunkt in Niger 100 afrikanische Häfen wurden entweder gebaut, finanziert oder werden derzeit von chinesischen Staatsreedereien betrieben. In einigen Häfen chinesische Militäreinrichtungen, um die militärische Bedeutung der strategischen Hafeninvestitionen Chinas herunterzuspielen.  70 Tsd. Studenten aus afrikanischen Ländern   Allianzbildung gegen den Westen, u.a. im UN-System

Golfstaaten
Türkei
Industrie- und Rohstoffinvestitionen Afrikanische Arbeitskräfte in Golf-Staaten Wirtschaftliche Süd-Süd-PartnerschaftVertiefung der Militärkooperationen, WaffenlieferungReligiöse Agenda: Bau von Moscheen, Iman- Ausbildung Süd-Süd-Kooperation, Nicht-Pakt-Gebundenheit
IndienWirtschaftliche Kooperation durch indische Großunternehmen und  über indische Communities

MilitärausbildungSüd-Süd-Partnerschaft als Gegenmodell zu China und dem Westen

Quelle: Vortrag des Autors auf Veranstaltung des BVSW am 7.3.2024: „Afrikas Entwicklungen zwischen Hoffen und Bangen“. https://www.bvsw.de/wintertagung/ – plus eigene Erhebungen plus Is China eyeing a second military base in Africa as the US struggles to maintain one in Niger? | Chatham House – International Affairs Think Tank; Denis Tull (2024): Wie weiter in der Sahelpolitik? Zielkonflikte und begrenzte Handlungsoptionen (swp-berlin.org)

Deutschlands Rohstoffabhängigkeit steigt (nicht nur Lithium und seltene Erden, sondern alle Rohstoffe). Die zunehmende Abhängigkeit von Rohstoff- und Energieimporten aus afrikanischen Ländern verdeutlicht die deutsche Rohstofffragilität. Es gibt kein deutsches Rohstoffunternehmen mehr auf dem Kontinent. Besonders gravierend ist daher das Fehlen einer Rohstoffstrategie mit Afrika. In der deutschen Afrikapolitik und Außenwirtschafts- und Verteidigungspolitik ist dies kein TOP-Thema. Welche Folgen eine anti-europäische Sahelzone angesichts des Agierens Russlands und Chinas für deutsche sicherheitspolitische Erwägungen haben kann, bleibt ungeklärt.

Für Deutschland steht viel auf dem Spiel, wirtschaftlich, geo-ökonomisch und geo-strategisch. Notwendig sind selbstkritische Analysen und Aufarbeitungen, um nicht in die alten Muster von anachronistischem Verhalten zurückzufallen. Europas Werte haben weniger Zugkraft und der Paternalismus hat ausgedient. Vor allem kann es noch weitere Rückschläge geben, so etwa das Ende der CFA-Währungszone, das neue Bewusstsein der Küstenstaaten, die sich mit ihren wirtschaftlichen und politischen Strategien zunehmend auf die eigenen Kräfte konzentrieren und neue Bündnisse jenseits von Europa schmieden. Die Entwicklungen im Senegal zeigen an, dass das alte Modell ausgedient hat. Europa hatte auf Macky Sall gesetzt, der immer autoritärer regierte und sich selbst für unfehlbar hielt. Die senegalesische Bevölkerung hat ihm die rote Karte gezeigt.

Allzu lange haben sowohl Europa als auch die USA das Potenzial und die strategische Bedeutung Afrikas ignoriert, wodurch sie Boden an andere Akteure verloren haben. Vor diesem Hintergrund wirken auch die diversen Afrika-Strategien der Bundesregierung und insbesondere des BMZ wie aus der Zeit gefallen.

Dabei könnte es sein, dass sich auch die BRICS-Länder, die eine Allianz mit autoritären Regimen zu etablieren versuchen, um die Weltordnung stärker nach eigenen Vorstellungen zu bestimmen, ins Abseits stellen. Vorerst hegen Militärregierungen und autoritäre afrikanische Staaten den Westen ein. Da kommen China, Russland, die Türkei und Indien gerade rechtzeitig ins Spiel. Henning Melber schreibt im Jahr 2023: „Die wachsenden Ressentiments gegen eine vom Westen bestimmte – wenn auch im Einfluss schwindende – Weltordnung haben dazu beigetragen, dass im Gewand des Anti-Imperialismus neue globale Akteure eine kaum menschenrechtsfreundlichere Alternative befördern. Letztlich bleibt so die sprichwörtliche Wahl zwischen Teufel und Beelzebub. … Der nächste BRICS-Gipfel soll im Oktober 2024 im russischen Kasan stattfinden. … Ob die BRICS-Häuslebauer ihre Konstruktion auf ein tragfähiges Fundament gestellt haben und die Statik beim Anbau stimmt, bleibt eine offene Frage[3]“. Ob die BRICS sich tatsächlich ins Abseits stellen? Das Zitat von Melber drückt aus, was viele im Westen denken: am Ende sind wir doch die Besseren, wir müssen das nur besser angehen! Da schwingt noch ein bisschen die alte Arroganz (oder Hoffnung, wir könnten es schaffen umzusteuern) mit.

Deutsche Politik im Wartesaal

Nicht zuletzt hängt es davon ab, ob die deutsche Politik endlich wahrnimmt, was sich geostrategisch verändert hat und sie ein anderes, kooperativeres Modell anbietet als bspw. China oder Russland. Das bedeutet aber Umstellung, größere Sichtweite, weg vom Kleinklein der EZ-Agenda, weg vom snobistischen Agieren auf internationalen Konferenzen, weg vom „Auf Sicht fahren“ und mehr Weitblick. Ob wir es wollen oder nicht. Auf dem afrikanischen Kontinent entscheidet sich auch, ob der Westen und auch Deutschland in der Lage sind, sich geostrategisch aufzustellen, nicht imperial zu agieren, eine solidarische Wirtschaftskooperation aufzubauen, militärisch kooperativer zusammenzuarbeiten (und nicht dominierend und imperial wie Frankreich, Russland oder China). Es kommt in Deutschland vor allem erstmal darauf an, zu begreifen, was Sache ist, jenseits der kleinen Afrikaszene von Unternehmen, Verbänden, Wissenschaftsorganisationen und Wissenschaftlern, die seit Jahren fordern, bitten und betteln, ohne wirklich gehört zu werden. Eigentlich käme auch den Nicht-Regierungsorganisationen eine Aufgabe zu, wie auch den neuen Think Tanks. Aber diese haben sich wegen ihrer finanziellen Abhängigkeit vom BMZ auf den kleinteiligen Diskurs des BMZ eingeschworen. Sie haben sich selbst ins Aus gepuscht und spielen kaum noch eine Rolle für strategische Debatten.

Ob weitere Verwerfungen und Abseitsfallen drohen, hängt auch davon ab, ob der Westen und die IFIs bereit sind, eine stabile globale Sicherheitsordnung und  ein inklusives Weltwirtschaftssystem zu schaffen, das dazu beiträgt, die Klima-, Armuts- und Beschäftigungskrisen zu lösen. Deutschland ist herausgefordert, ein auf Inklusion ausgerichtetes Gesellschaftsmodell zu verfolgen. Hingegen scheint die Idee einer regelbasierten Ordnung im multilateralen System außer Reichweite, auch wenn alle Entscheidungsträger in Deutschland dies immer wieder betonen. Es scheint eher so, dass das Welthandelssystem und die multilateralen Einrichtungen um ihre Existenz kämpfen. Offenbar gilt es daher, „minilaterale“ Lösungen zu suchen und Interessenskoalitionen zu bilden, die nicht durch übergeordnete Werte zusammengehalten werden.[4]

Der geostrategische Aufmarsch Russlands und Chinas auf dem afrikanischen Kontinent zeigt, wie notwendig es für die deutsche Afrika-, Außenwirtschafts- und Außenpolitik es ist, die Herausforderungen zu erkennen und umzusteuern. Davon könnten auch afrikanische Gesellschaften profitieren. Das gegenwärtige Kleinklein und auf Sicht fahren, werden Deutschland hingegen weiter ins Abseits drängen.


[1] Ethiopian Airlines Opens New Chinese-Built Logistics Hub in Addis Ababa – The China-Global South Project (chinaglobalsouth.com)

[2] https://www.bmz.de/de/aktuelles/reden/ministerin-svenja-schulze/fes-vernetzte-sicherheit-sahel-wie-kann-es-weitergehen-206296

[3] Henning Melber (2023), BRICS gipfelt in neuer Architektur, in WeltTrends 198. WeltTrends 198 – Globaler Wirtschaftskrieg – WeltTrends – Potsdamer Wissenschaftsverlag

[4] Robert Kappel (2023), Die Neuvermessung der Weltwirtschaft, 7.12.2023. Die Neuvermessung der Weltwirtschaft | Europäische Wirtschaftspolitik | bpb.de

Weitere Literatur

Werner Raza (2024), Die Handelspolitik der Zukunft: weder neoliberal noch geopolitisch, sondern solidarisch! – Weltneuvermessung (wordpress.com)

Henning Melber (2023), BRICS und Afrika – Weltneuvermessung (wordpress.com)

Robert Kappel (2023), Niger: Frankreichs Niedergang in Afrika und die Folgen – Weltneuvermessung (wordpress.com)

Karl Wohlmuth (2022), Putin, die Sanktionen und das Gold Afrikas. Wie finanziert Putin seine Kriegsoperationen? – Weltneuvermessung (wordpress.com)

Thomas Bonschab und Robert Kappel (2022), Deutschland im Strudel der Weltneuvermessung – Weltneuvermessung (wordpress.com)

Ein Kommentar zu „Geostrategische Veränderungen führen zu Verlust an deutscher Gestaltungsfähigkeit auf dem afrikanischen Kontinent

  1. sehr wahr und irgendwie deprimierend….wo sind deutsche Strategen und globale und weitsichtige Denker geblieben? Die Welt ist schon eine gewendete, eine andere!!

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