Gemischter Satz – Deutschlands Wirtschaftsbeziehungen zu Afrika

Gemischter Satz – Deutschlands Wirtschaftsbeziehungen zu Afrika

Robert Kappel, 13.3.2018

Deutschlands Wirtschaftsbeziehungen zu Afrika verharren auf einem niedrigen Niveau. Zwar hat es im Jahr 2017 eine Steigerung des Handels von mehr 15% gegeben, aber in den Vorjahren gab es wegen des Rohstoffpreisverfalls einen Rückgang des Handels mit Afrika, der im Jahr 2017 gerade wieder aufgeholt werden konnte, weil die Exporte sich erhöhten und die Importe ebenfalls wieder anzogen. Die gestiegenen Importe sind vor allem auf die vermehrten Rohölimporte aus Libyen (+ 2 Mrd €) und die leicht angestiegenen Einfuhren aus Nigeria und Südafrika zurückzuführen (Grafik 1). Die Importe kommen zu sechzig Prozent aus Sub-Sahara Afrika, allein 38% der Einfuhren stammen aus Südafrika, das der wichtigste Handelspartner Deutschlands auf dem Kontinent ist. Die anderen wichtigen Partnerländer sind Tunesien (10%) und Nigeria (8%).

Grafik1
Quelle: GTAI Daten

Der Anteil Afrikas an Deutschlands Einfuhren liegt bei gerade 1,7% im Jahr 2016 und hat sich gegenüber 1990 deutlich verringert (2,9%: 1990). D.h. Afrikas Anteil ist noch weiter gefallen und faktisch nur noch marginal. Dies wird besonders deutlich, vergleicht man Deutschlands Einfuhren aus Österreich und Afrika. Die gesamten Importe aus Afrika machen weniger als die Hälfte derer aus Deutschlands Nachbarland aus. Und der Abstand vergrößert sich sogar: Die Importe aus Österreich erhöhten sich von 2015 bis 2017 um 4 Mrd. €, während der Importhandel aus Afrika während dieser Jahre stagnierte. Wichtigste afrikanische Importgüter sind Erdöl und Erdgas (3,5 Mrd. €= 21,0%), Kraftfahrzeuge und KFZ-Teilen (2,7 Mrd. €, 16%) und landwirtschaftliche Produkte (2,5 Mrd. Euro, Anteil von 15%)

Bei den Exporten bietet sich ein leicht anderes Bild. Die deutschen Ausfuhren stiegen von 2014 bis 2017 um 4 Mrd. € an, dennoch fiel der Anteil Afrikas an den deutschen Gesamtexporten auf 2,0 % (2,4%: 1990). D.h. das Wachstum der Exporte mit anderen Weltregionen ist höher, vor allem bedingt durch intra-industriellen Handel in den OECD-Ländern und den emerging economies. Wichtigste afrikanische Exportländer sind Südafrika (36 %), Ägypten (18%) und Algerien (13%). Wichtigste Exportgüter sind Kraftfahrzeuge + KFZ-Teile: 5,7 Mrd. € (23 % Anteil). Maschinen 5,0 Mrd. € (20%) und chemische Erzeugnisse 2,2 Mrd. € (9%).

Grafik2
Quelle: GTAI Daten

Grafik 3

Grafik3

Insgesamt ist der afrikanische Kontinent weniger denn je von Bedeutung für den deutschen Außenhandel. Vor allem ist er stark asymmetrisch und konzentriert auf wenige Produktgruppen: 1. Es sind nur wenige Länder von Bedeutung, allen voran Südafrika, Ägypten und Tunesien sowie Algerien, Marokko und Nigeria. Alle anderen Länder haben maximal einen Außenhandel mit Deutschland in der Größenordnung von 200 Mio. €. 2. Der Handel ist asymmetrisch: Deutschland exportiert Maschinen, Investitionsgüter und hochwertige Konsumgüter, während aus Afrika weitgehend Rohstoffe und landwirtschaftliche Güter importiert werden (Ausnahme Südafrika mit KfZ-Produkten).

Dass Afrika von marginaler Relevanz für die deutsche Wirtschaft ist, zeigt sich auch den relativ geringen Investitionen deutscher Unternehmen auf dem Kontinent. Deutschlands Position als Investor hat sich sogar eher verschlechtert. Im Jahr 2016 standen deutsche Investoren gerade auf dem 11. Platz der wichtigsten Investitionsländer. Innerhalb der letzten sechs Jahre haben sich bspw. die chinesischen Bestände an Investitionen von 13 Mrd. $ auf 35 Mrd. $ erhöht, während der Bestand deutscher Investitionen gerade um 2 Mrd. $ stieg (siehe Grafik 4). Mit Ausnahme von Südafrika haben deutsche Unternehmen seit vielen Jahrzehnten relativ wenig investiert, obwohl sich immer mehr Unternehmen überlegen, ihre Präsenz in afrikanischen Ländern zu erhöhen.

Grafik4
Quelle: UNCTAD Daten

Die Bestände der deutschen Investitionen zeigen zwischen 2010 und 2015 keinen positiven Trend. Ca. 800 Unternehmen sind auf dem Kontinent präsent, die ca. 200 Tsd. Menschen beschäftigen, davon allein 400 Unternehmer mit 70 Tsd. Arbeitskräften in Südafrika. Südafrika ist bei weitem der wichtigste Investitionsstandort für deutsche Investoren, gefolgt von Ägypten.

Grafik5

Quelle: Daten aus https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Veroeffentlichungen/Statistische_Sonderveroeffentlichungen/Statso_10/2017_bestandserhebung_direktinvestitionen.pdf?__blob=publicationFile

 

Das relativ geringe deutsche Engagement hat im Wesentlichen damit zu tun, dass deutsche Unternehmen kaum Rohstoffinteressen haben und die afrikanischen Märkte für deutsche Investoren noch zu klein sind. Deutschland importiert Rohstoffe aus Afrika über europäische und amerikanische multinationale Konzerne.

Was bedeuten diese Zahlen für das deutsche Wirtschaftsengagement auf dem Kontinent?

  1. Für deutsche Investoren und für den deutschen Handel ist Afrika gegenwärtig noch nicht besonders attraktiv. OECD-Länder und emerging economies (China, Indien usw.) sind von überragender Bedeutung für das hochentwickelte Industrieland Deutschland.
  2. Da deutsche Unternehmer im wesentlichen komparative Vorteile in High-Tech-Sektoren, in der Produktion von Investitions- und hochwertigen Konsumgütern haben und daher Investitionen in der EU, den USA und China besonders hoch sind, und in den afrikanischen Ländern die Nachfrage nach diesen Investitionsgütern relativ gering ist, ist absehbar, dass vorerst kaum mit einem deutlichen Anstieg der deutschen Investitionen auf dem Kontinent zu rechnen ist. Erst wenn es zu deutlichen Wachstumsschüben kommt, die Märkte Afrikas expandieren und die Nachfrage nach in Deutschland produzierten Gütern wächst, werden Handel und Investitionen mit Afrika ansteigen können.
  3. Eine Voraussetzung für einen nachhaltigen Investitions- und Handelsschub wären die verbesserte Infrastruktur, der Abbau von intra-afrikanischen Handelsschranken (Zölle, nicht-tarifäre Handelshemmnisse, Reduktion der Handelskosten, Korruption) und die Beseitigung von bürokratischen Ineffizienzen innerhalb Afrikas.
  4. Der deutsche Mittelstand zögert aus verschiedenen Gründen, auch in afrikanischen Ländern außerhalb Südafrika zu investieren. Er wäre sicherlich eher bereit Risiken einzugehen, wenn deutsche Großunternehmen eine Vorreiterrolle einnehmen und verstärkt investieren würden, wie dies in geringem Ausmaß in den letzten Jahren der Fall war (Volkswagen in Ruanda, Daimler in Kenia, SAP in Cote d‘Ivoire, Siemens in Nigeria). So könnte der Mittelstand als Unterauftragnehmer mitziehen.
  5. Von politischer Seite müssten die Weichen deutlicher für den Mittelstand gestellt werden, bspw. durch die Anpassung der Hermesbürgschaften und der Kreditlinien. Afrikanische Staaten hätten hingegen die Bedingungen für Investitionen zu verbessern – nicht nur für die deutschen sondern vor allem auch für die lokalen Investoren, die durch zahlreiche Maßnahmen am Wachstum und Schaffung von Jobs behindert werden. [1]
  6. Afrikanische Exporteure haben zwar einen relativ leichten Zugang zum europäischen Markt (Everything but Arms– und Cotonou-Maßnahmen), aber dies gilt nicht für Mitteleinkommensländer und für industrielle Produkte. Im Sinne eines vertieften Austausches wäre zu überlegen, die gegenwärtigen Barrieren zu überwinden, bspw. auch durch beiderseitige Aktivitäten, wie gemeinsame Handelskammern und Exportfördermaßnahmen für afrikanische Produzenten. Eine von der Bundesregierung kommende Initiative zu den Economic Partnership Agreements (EPAs) könnte dazu beitragen, die negativen Wirkungen des von der EU intendierten Freihandels mit Afrika zu thematisieren und adäquate Maßnahmen gemeinsam mit den afrikanischen Ländern zu beschließen.
  7. Gegenwärtig behindern landwirtschaftliche Subventionen in Europa die Möglichkeiten des Aufbaus der Agroindustrie in Afrika und zugleich die Exporte landwirtschaftlicher Produkte nach Europa. Da es sehr unwahrscheinlich ist, dass die EU ihre Agrarpolitik ändert, ist es notwendig, durch Sondermaßnahmen (Ausnahmeregelungen) die Zugänge für afrikanische Agrar- und Nahrungsmittelexporte zu verbessern.

Es gilt also, ein Set von Maßnahmen auf deutscher wie afrikanischer Seite zu ergreifen, wie dies die konkreten Ausgestaltungsmaßnahmen für die Compact-Länder vorsehen.[2] Gegenwärtig hat die Bundesrepublik mit einigen wenigen Ländern, von denen eine Ausstrahlung ausgehen könnte, entsprechende konkrete Maßnahmen beschlossen, der die Akteure besser zusammenbindet. Sozusagen ein Gemischter Satz aus Unternehmen, verschiedener Ministerien, der Kreditanstalt für Wiederaufbau KfW, der Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GIZ, dem Afrika-Verein, dem Bundesverband der Deutschen Industrie BDI, afrikanischen Regierungen, Zivilgesellschaften und Unternehmen, die alle in die Gestaltung des Prozesses eingebunden sind. Wie im Gemischten Satz, bei dem in Österreich verschiedene Rebsorten in einem Weingarten angebaut werden und zusammen wachsen, die dann gemeinsam gekeltert werden und dann manchmal einen guten Wein ergeben. Erwünschter Nebeneffekt ist eine deutlich erhöhte Vielschichtigkeit des Prozesses und des Endprodukts. Würde im Gemischten Satz der Zusammenarbeit mit Afrika auch die Wirtschafts- auch die Netzwerkkooperation deutlich vertieft (Kooperation von deutschen und afrikanischen Universitäten, Studentenaustausch, technologische Kooperation; Berufsbildung in Zusammenarbeit mit Lehrerausbildung und größerer Nähe zu lokalen und ausländischen Unternehmen), dann könnten die Investitionen zunehmen und der Handel ansteigen.

[1] Vgl. Kappel, Robert und Helmut Reisen (2017), The G20 »Compact with Africa« Unsuitable for African Low-Income Countries, Berlin: FES. http://library.fes.de/pdf-files/iez/13441.pdf; vgl. auch Kappel, Robert und Babette Never (2017), Favouritism: The Political Economy of Enterprise Development in Uganda, Hamburg and Bonn: paper 1 may, 2017. https://www.researchgate.net/publication/320879593_Favouritism_in_Uganda_How_the_political_economy_impacts_micro_and_small_enterprise_development

[2] Die Bundesrepublik Deutschland schloss mit Tunesien, Ghana und Cote d’Ivoire erste Verträge zur Umsetzung des Compact with Africa ab.

 

 

12 Kommentare zu „Gemischter Satz – Deutschlands Wirtschaftsbeziehungen zu Afrika

  1. Der Blick auf die Zahlen und Fakten ist leider immer wieder ernüchternd. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind zielführend, erfordern aber viel politischen Willen und Durchsetzungskraft auf beiden Seiten.

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  2. Sehr geehrter Herr Kappel,
    über etwas sprechen, ist immer leichter, als es zu tun. Seit bestimmt schon 3 Jahren bemühen wir (2 Firmen) uns, um in Westafrika Fuß zu fassen. Es geht um „Abfall-Müll zu Öl-“ und biologische Landwirtschaftstechnologien, sowie deren Kombination. Immer im Sinne autark zustellender Wirtschaftskreisläufe. Leider gelang es uns nicht, das zuständige Ministerium und seine Organe für diese Arbeit zu interessieren. Wir brauchten nur eine Anschubfinanzierung, um die außerordentliche Schere zwischen den dortigen Währungen zum Euro zu überwinden. Alle anderen Leistungen sind erledigt. Und siehe, das geht nicht. Nach über einem Jahr teilte uns die AWE mit: zuerst BERATUNG, dann PLANUNG, dann PRÜFUNG auf Durchführbarkeit, usw., usw. Gerede. Marshallplan, die „Denkschrift“, hat uns nicht geholfen, Obwohl wir bspw. in den von Ihnen als Compact-Markt bezeichneten Ländern im Nu aufgrund vorliegender LOI bzw. MOU sofort hätten wirksam werden können. Wir sind dort schon mit einer nationalen Firma positioniert. Unser Basisprinzip wäre vor allem, Ausbildung und Schaffung von Arbeitsplätzen gewesen. Schade. Wir lassen nicht locker. Aber leider wird es dauern – denn der afrikanische Markt ist schon interessant, vor allem für den Klein- und Mittelstand. Leider wird makropolitisch immer der Investor mit größeren und großen Playern gleichgesetzt. Wir könnten weiter sein. Es gibt viele Unternehmer, die auf Spur sind. Demzufolge kann ich Ihren Schlußfolgerungen nur bedingt folgen.
    Deshalb abschließend nochmals wiederholt: wir würden gerne tun – aber…? (nicht unter diesen bürokratischen Bedingungen).
    Mit freundlichen Grüßen
    Jürgen Thoms

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